Paul Niedersachsen e.V. im Gespräch mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 29.10.2019 in Berlin

Am 29.10.2019 war Paul Niedersachsen e.V. zu einem zweistündigen Gespräch ins Bundesministerium nach Berlin eingeladen.
Dieser Einladung folgten die Schriftführerin, Nicole Fiebig und die 1. Vorsitzende, Silke Hagen-Bleuel, nachdem sie vorab gemeinsam mit Marlis Peters vom Vorstand der KIAP Schleswig-Holstein e.V. und beraten durch Axel Symancyk von der Projektgruppe Strukturanalyse Fremdunterbringung die politischen Forderungen zur Pflegekinderhilfe / zum Kinderschutz intensiv überarbeitet bzw. aktualisiert haben.
So konnte den Mitwirkenden am SGB VIII Reformprozess aus dem Referat Rechtsfragen Kinder- und Jugendhilfe im BMFSFJ fachlich konkretisiert vorgetragen werden, wo die Bedingungen für Pflegekinder und ihre Pflegefamilien wesentlicher und grundlegender Veränderungen bedürfen.
Die beiden Vorstandsmitglieder erörterten die deutlich verbesserungswürdigen Bedingungen für Pflegekinder und damit verbunden auch die Schwierigkeiten, mit denen Pflegeeltern immer wieder an Grenzen stoßen.
Paul Niedersachsen betonte, dass die Pflegeeltern zwar diejenigen sind, die die ihnen anvertrauten Pflegekinder am besten kennen, ihre Bedürfnisse im täglichen Zusammenleben spüren, ihnen Versorgung und Schutz bieten sollen, allerdings leider im Normalfall keinerlei Rechtsstatus besitzen, um von den am Hilfeverfahren beteiligten Sozialarbeitern der Jugendhilfeträger gehört zu werden.
So werden Pflegeeltern oft wie Dienstleister behandelt und nicht als ernstzunehmender Partner der Jugendhilfeträger wahrgenommen geschweige denn als solcher gewertschätzt.
Dabei bietet die familiäre Vollzeitpflege aus zweierlei Hinsicht eine große Ressource unserer Solidargemeinschaft:
Für Kinder, die nicht bei ihren Herkunftseltern oder in einer Adoptivfamilie aufwachsen können, ist die Unterbringung im Rahmen einer Fremdplatzierung bei Pflegeeltern die am kindlichen Bedürfnis nach Bindung orientierte und daher am besten geeignete Möglichkeit, ihr Wachstum und ihre Entwicklung zu fördern. Zudem ist auch aus Kostenersparnisgründen aus Sicht der öffentlichen Jugendhilfeträger eine Pflegefamilie der Unterbringung in einer Heimeinrichtung vorzuziehen.
Im Ministerium stießen unsere Anregungen das Kind in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu setzen, und anders als bisher nicht die leiblichen personensorgeberechtigten Eltern bzw. Vormünder als Anspruchsteller auf Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung einzusetzen, sondern die Kinder selbst zu Anspruchstellern zu machen, auf großes Interesse und fanden verständnisvollen Zuspruch.
Die beiden Vertreter von Paul Niedersachsen e.V. berichteten den Damen aus dem Referat Rechtsfragen in der Kinder- und Jugendhilfe weiter über die Auswirkungen des mangelnden rechtlichen Einflusses von Pflegeeltern auf die kontinuitätssichernde Perspektivplanung für ihre Pflegekinder.
Aus den Erfahrungen im Rahmen der Beistandsarbeit schilderten wir Fälle, in denen Pflegekinder auch nach mehreren Jahren in ihrer Pflegefamilie noch aus dieser herausgenommen wurden und in Heimeinrichtungen landeten, weil Pflegeeltern Anträge auf mehr Unterstützung gestellt hatten oder aus Sicht von Jugendämtern die Pflegeeltern plötzlich nicht mehr als geeignet betrachtet wurden. Paul Niedersachsen trug vor, dass es eine individuelle Bedarfsermittlung im Einzelfall, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, ohne Sach-, Kosten- und Personalzwänge, unter verbindlicher Beteiligung der Pflegefamilien durchgeführt werden muss.
Pflegefamilien nach §33 SGB VIII sind keine Dienstleister, Angestellte, oder Weisungsempfänger eines jeweiligen Jugendamtes!
Eine solche Haltung verhindert eine konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe in Bezug auf die Bedürfnisse des Kindes und dessen gedeihliche Entwicklung.
Dem Ministerium teilte Paul Niedersachsen mit, dass teilweise systematisch aufgebaute verwaltungstechnische Hemmnisse bei der Leistungsgewährung konsequent beseitigt werden müssen.
Auch die sozialrechtlichen Bedingungen im Rahmen der Alters- und Unfallvorsorge für Pflegeeltern in allen Pflegeformen der Vollzeitpflege wurden erörtert.
Das Recht auf Beratung und Begleitung der Pflegefamilien zu stärken und auszubauen sowie die Einführung bundesweit gültiger und nachvollziehbarer fachlicher Standards in der Kinder- und Jugendhilfe voranzutreiben, trugen wir eindringlich vor.
Unsere Anliegen, Fragen und Forderungen, die wir auch in hier angehängter schriftlicher Form dem Ministerium übergeben haben, wurden wertschätzend aufgenommen und einige wesentliche Punkte konnten übereinstimmend als änderungswürdig eingeordnet werden.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit es gelingen kann, alle am SGB VIII Reformprozess beteiligten Gruppen und familienpolitischen Verbände sowie die politischen Mandatsträger im Bundestag und nicht zuletzt auch das Bundesfamilienministerium für die dringend notwendigen Änderungsansätze überzeugen zu können.
Laut Aussage des Bundesministeriums wird der Reformprozess in diesem Jahr noch nicht beendet werden können, sodass wir mit Paul Niedersachsen weiter die Gelegenheit nutzen werden, politische Lobbyarbeit für Pflegekinder zu betreiben.
Es wurde auf Wunsch aller Gesprächsteilnehmer verabredet, weiter im Kontakt und Austausch zu bleiben.
Paul Niedersachsen e.V. bedankt sich für dieses wirklich konstruktiv geführte Gespräch im Bundesministerium und hofft darauf, dass die von uns angeregten Änderungen im Rahmen der Reform des SGB VIII umgesetzt werden.
Lachendorf, im November 2019 Frau silke Hagen-Bleuel, 1. Vorsitzende
1,242 total views, 1 views today